Eine Studie zum „Blauen Montag“

Blauer Montag

Im deutschen Sprachraum sind noch viele Sprichwörter bekannt, die sich von meinem Handwerk herleiten: „Abwarten und sein blaues Wunder erleben” kommt von dem verblüffenden Farbeffekt bei der Oxydation des Küpenfarbstoffes, ebenso das Sprichwort „Grün und blau schlagen”, während die Redewendung „hexen und blaufärben” sich auf den etwas undurchschaubaren Vorgang des Reservedruckes bezieht. Und jeder kennt in Deutschland den „Blauen Montag”, der Tag, an dem nicht gearbeitet, sondern krank gefeiert wird.

Viele Museumsfachleute und Historiker nehmen an, dass dies der Tag gewesen ist, an dem die Färber nicht zu arbeiten brauchten, sei es, dass der Stoff 24 Stunden in der Küpe hing, sei es, dass er den ganzen Tag an der Luft oxydierte – kurz, die Blaufärber hatten angeblich frei, die Arbeit machte sich von selbst und Faulheit regierte im Färberhandwerk…

Sind Blaudrucker montags „faul“?

Meine tägliche praktische Arbeit an der Färberküpe ließ mich an diesen Behauptungen zweifeln: Wir wissen, dass Waid und Indigo in Zügen auf Baumwolle und Leinen gefärbt werden, z.B. 60 Minuten in die Farbe und 30 Minuten oxydieren an der Luft, dabei die Stoffe „grün und blau” schlagen, dem Sauerstoff öffnen. Eine schmutzige und schwere Arbeit mit nassem und schlüpfigem Leinen, welches auch noch stark alkalisch ist und so eine Gefahr der Verätzung für den Färber darstellt. Immer wieder musste der Stoff umgespannt werden, er hatte gehöriges Gewicht und stellte einen großen Wert dar: nicht Faulheit, sondern vielmehr Anspannung und Aufmerksamkeit waren beim Färben gefordert. Zudem waren die ersten Färbeküpen bekanntlich Gärungsküpen, wurden am Montag früh warm angesetzt und erforderten ständige Führung und Kontrolle, eine heikle, für die ganze Woche entscheidende Arbeit!

Und doch gab es den freien blauen Montag: Abraham a Sancta Clara spottet darüber im Jahre 1690: „Lorenz Blaurock, Handwerksgesell!… Euer Handwerk trägt zwar ein sehr ehrliches Geld, gleichwohlen geht Euch nichts von der Hand!… Ihr macht einen Rasttag und heißt nicht umsonst Blaurock, denn Ihr liebt nichts mehr als die blaue Farbe, sonderbar den blauen Montag; aus dem blauen Montag aber wird ein fauler Dienstag und darauf ein durstiger Mittwoch… so gehts die ganze Woche durch. Der Wochenlohn kann nicht erklecken, beim Meister bleibt die Arbeit stecken…”

Ein „guter“ Montag für Gesellen

Tatsächlich war der Montag seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein ein Feiertag der Handwerksgesellen – nicht der Meister und ihrer Zünfte, sondern der abhängigen Knechte und Gesellen mit ihren Brüderschaften. Dieser freie oder auch „gute” Montag wurde nicht geschenkt, sondern musste erkämpft werden, auch mit Gewalt. Die erste Erwähnung des guten Montags finden wir 1330 bei den Pergamentergesellen in Lübeck und 1371 bei den Böttchern in Hamburg. Färbergesellen traten nicht besonders in Erscheinung.

Die Handwerksgesellen ertrotzten sich ihren Tag, um eigene Angelegenheiten zu regeln: wandernde Brüder wurden verabschiedet oder begrüßt, die Bruderschaften der Gesellen hielten Totenfeiern und Memorien, man badete und feierte gemeinsam. Überhaupt: Der Montag war im ganzen Mittelalter für Gesellen und Volk „une bonne pour tout”, er war Flicktag, Zechtag, Versammlungstag, Badetag, Gerichtstag, Spieltag, Markttag. Er war ein „undi perdu” für die Volkswirtschaft, für die Persönlichkeitskultur jedoch ein gefundener, ein fetter Tag.

Übrigens gilt diese Tradition nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern in ganz Europa: in Frankreich sagt man „faire le lundi”, in Italien ist es „la lunediana”, in England „to keep Saint Monday” und in Skandinavien ist es der „blaa mandag”. Doch was ist mit dem Blau? Warum wurde der „gute” Montag ein „blauer” Montag?

Der Blaurock

Zwei Erklärungsstränge habe ich gefunden, und einer davon ist der Waid: das entscheidende Moment der blauen Namensgebung lag in der Sitte des späten Mittelalters, dass Berufsgenossen und Standesgenossen gleiche Kleidung trugen. Blau in seiner Symbolik war die Farbe der Treue – und waidgefärbte blaue Kleidung war bei Handwerksgesellen zu finden. Denken wir an Abraham a Sancta Clara: „Lorenz Blaurock, Handwerksgesell!” Der Blaurock war immer der Handwerksgeselle! Stadträte und Magistrate erließen Verbote gegen das Tragen uniformer Kleidung bei Gesellenumzügen, denn schließlich zeugten diese „waidblauen” Straßen vom gewachsenen Selbstwertgefühl der niedrigen Stände.

Blau wie der Himmel

Da wir Anwesende alle Interesse an einer blauen Farbe zeigen, ist vielleicht der zweite Erklärungsstrang zum Blau des Montags einmal bedenkenswert: Alte Bedeutungen des Wortes blau sind „leer, unecht, dunstig, nebelhaft, trügerisch, schalkhaft…” und oft finden wir in der deutschen Sprache solche Redewendungen: „Ins Blaue reden…“, „Jemandem blauen Dunst vormachen…“, Das Blaue vom Himmel herunterschwätzen” usw. Zum größten Teil hängen sie damit zusammen, dass das Blaue des Himmels, der Luft, etwas Ungreifbares und Unerreichbares für uns ist, wie eine Täuschung, etwas Unechtes. Das passt gut zum Blauen Montag und spiegelt unmittelbar Naturbetrachtung und tägliches Arbeitsleben: die Handwerksgesellen verließen am Montag die Arbeit, der Tag war vertan, er wurde ungreifbar und leer, blau wie der Himmel.

Der „Blaue Montag” als Nicht-Arbeitstag kommt also nicht von einer vermeintlichen Arbeitsruhe des Blaufärbers beim Indigofärben, sondern er ist ein historischer Hinweis auf den erkämpften Feiertag der waid-blau gekleideten Handwerksgesellen, und er verweist zugleich auf die Psychologie des Menschen beim Empfinden von Farbe.

Wenn Sie noch eine Erklärung zur Entstehung des „Blauen Montags” kennen, senden Sie mir diese bitte zu! Ich sammle die abenteuerlichsten Deutungsversuche…., denn:

 

          „Es gibt keinen Grund, eine gute Theorie aufzugeben, bloß weil sie nicht stimmt!” 

 

 

Literatur

    •    Abraham a Sancta Clara, Werke. In Auslese, hrsg. v. H.Strigl, Wien 1906, Bd V.

    •    A. Grießinger, Das symbolische Kapital der Ehre. Streikbewegung und kollektives Bewußtsein. Frankfurt/M., 1981

    •    G. Grower, Spottgedicht eines Meisters Jacob v. Hagnow über die Kupferknaben. In: Etudes Haguenauiennes, 1948

    •    K. Koehne, Studien zur Geschichte des blauen Montags.In: Zeitschrift f. Sozialwissenschaften, HF XI, 1920

    •    W. Reininghaus, Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter. Wiesbaden 1981

    •    F. Singer, Der blaue Montag. Mainz 1917

    •    Staatsarchiv Oldenburg, Bestand 70-6685. Gewerbeakten

    •    H. Schultz, Das ehrbare Handwerk. Weimar 1993

    •    (Vortrag gehalten auf dem Kongress „Pastel und Waid”, Toulouse 1995)